Richter Di05 by Gulik
Autor:Gulik
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-02-04T05:00:00+00:00
Zwölftes Kapitel
Ma Jung und Tschiao Tai zerstreuen eine aufgebrachte Menge; ein Schwindler gibt über geheime Entführermethoden Auskunft.
Ma Jung und Tschiao Tai warteten mit drei Pferden im Hof.
Nachdem Richter Di die Pferde begutachtet hatte, schwangen sich die drei Männer in den Sattel, die Wachen stießen das schwere Tor auf, und die Kavalkade verließ das Gericht.
Sie ritten in östlicher Richtung aus der Stadt und befanden sich bald auf einer Art Feldrain. Eine fruchtbare Ebene breitete sich unter ihnen aus, so weit das Auge reichte.
Der Abstieg war schnell geschafft. Als sie sich in der Ebene befanden, betrachtete Richter Di mit Interesse das Meer aus wogendem grünem Reis zu beiden Seiten der Straße.
»Das sieht vielversprechend aus!« bemerkte er zufrieden. »Wir werden diesen Herbst eine gute Ernte haben! Aber ich sehe nirgendwo ein Landhaus!«
Sie machten in einem kleinen Dorf halt und aßen ein einfaches Mittagsmahl in der Gaststätte am Ort. Als der Dorfälteste herbeikam, um seine Aufwartung zu machen, erkundigte sich Richter Di nach dem Landhaus. Doch der alte Mann schüttelte den Kopf und sagte:
»In der ganzen Umgebung hier gibt es kein Backsteinhaus. Die Grundbesitzer wohnen in den Bergen; dort ist es kühler.«
»Habe ich nicht gesagt, daß Han ein Gauner ist?« murmelte Ma Jung.
»Vielleicht haben wir ein Stückchen weiter mehr Glück«, sagte der Richter.
Nach einer halben Stunde erreichten sie das nächste Dorf. Als sie durch eine schmale Straße ritten, die von ärmlichen Hütten gesäumt wurde, vernahm Richter Di lautes Geschrei vor sich. Auf dem Marktplatz angekommen, erblickte er eine aus Bauern bestehende Menschenmenge unter dem alten Baum in der Mitte; sie schwangen Stöcke und Keulen und schrien und fluchten aus Leibeskräften. Von seinem Pferd aus konnte der Richter sehen, daß sie einen Mann, der am Fuße des Baumes lag, schlugen und traten. Er war mit Blut bedeckt.
»Sofort aufhören!« brüllte Richter Di. Aber niemand schenkte ihm die geringste Aufmerksamkeit. Er drehte sich in seinem Sattel um und befahl seinen beiden Gehilfen ärgerlich: »Sprengt diese Menge aus Bauerntölpeln!«
Ma Jung sprang vom Pferd und stürzte sich, gefolgt von Tschiao Tai, in die Menge. Er packte den ersten Mann, den er erwischen konnte, an Kragen und Hosenboden und warf ihn mitten in die Menge. Dann sprang er hinterher und bahnte sich einen Weg, indem er Schläge und Ellbogenhiebe austeilte, während Tschiao Tai ihm den Rücken deckte. In wenigen Augenblicken hatten sie sich zum Baum vorgekämpft und die Angreifer von ihrem stöhnenden Opfer getrennt. Ma Jung brüllte:
»Schluß jetzt, ihr Bauerntölpel! Habt ihr noch nicht gesehen, daß Seine Exzellenz, der Bezirksrichter, eingetroffen ist?« Und er deutete nach hinten.
Alle Köpfe drehten sich um. Als sie die achtunggebietende Gestalt zu Pferde erblickten, senkten sie rasch ihre Waffen. Ein älterer Mann trat vor und kniete neben Richter Dis Pferd nieder.
»Diese Person«, sagte er ehrerbietig, »ist das Oberhaupt dieses Dorfes.«
»Berichten Sie, was hier vor sich geht!« befahl der Richter. »Wenn der Mann, den ihr totschlagen wollt, ein Verbrecher ist, hättet ihr ihn zum Gericht nach Han-yuan bringen müssen. Als Dorfoberhaupt sollten Sie wissen, daß es ein abscheuliches Vergehen ist, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen!«
»Ich bitte Euer Exzellenz um Vergebung«, erwiderte das Dorfoberhaupt.
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